Jahresprojekt 2017
Jahresprojekt
Kunst ist Politik – Italien 1943-2017
Das siebte Jahresprojekt des Kollegs für Musik und Kunst Montepulciano bot eine Herausforderung für alle, die sich nicht mit der Reproduktion des schönen Scheins zufrieden geben wollen. Es beschäftigte sich mit der Haltung der Künste zur Politik und hinterfragte, ob in Italien – und nicht nur dort – die Politik zur Kunst und Kunst zur Politik werden kann, darf oder muss.
Insgesamt 48 Studentinnen und Studenten aus den sieben Kunst- und Musikhochschulen Nordrhein-Westfalens entwickelten während der knapp zweiwöchigen Projektphase Ende September in Montepulciano eigene künstlerische Positionen. Sie arbeiteten in interdisziplinären, hochschulübergreifenden Projektgruppen und zeigten noch in Montepulciano den Zwischenstand dieses experimentellen Prozesses mit einem zweitägigen Abschlussprogramm am 27. und 28. September 2017.
Dabei wurde nicht nur der Palazzo Ricci einbezogen, sondern auch das dortige Teatro Poliziano. Bei dem Stück „Phantom of the Operette“ war die durch die Architektur vorgegebene hierarchische Trennung zwischen Publikum und Darstellenden, zwischen Kunst und Realität plötzlich aufgehoben. Das Publikum bewegte sich frei im Zuschauerraum und nahm so an den einfallsreichen Elementen der Inszenierung selbst teil, die das Ergebnis der Zusammenarbeit eines 20köpfigen Teams waren. Autorität und Freiheitsdrang griff das Stück „Orchesterprobe“ auf: eine Satire, bei der gleich fünf Dirigenten und Dirigentinnen ein Orchester zu führen versuchten, das sich immer weiter dezimierte und schließlich selbst befreite.
Ein Improvisationsorchester auf der Piazza Grande bildete den Auftakt des zweiten Abschlusstages, dessen Schwerpunkt die Arbeiten im Palazzo Ricci waren: Der Innenhof war die Bühne für „Das Floß der Medusa“: Diese Adaption von Hans Werner Henzes Oratorium „Das Floß der Medusa“ kombinierte die Musik mit Textfragmenten nach Peter Weiß’ „Ästhetik des Widerstands“. Zusammen mit der Installation eines Floßes mit Besatzung (ein „Lebendiges Bild“ des Gemäldes von Théodor Géricault) sowie der optisch und akustisch angedeuteten Übermacht des Wassers zeigte diese Arbeit einen klaren Standpunkt zum Thema. Videoarbeiten in den neu eröffneten Atelierräumen im zweiten Obergeschoss des Palazzo Ricci setzten sich mit der Erfahrung einer Reizüberflutung beim Ankommen an einem anderen Ort sowie mit dem menschlichen Individuum und seinen verschiedenen Identitätskonstruktionen auseinander. Weitere, teilweise als Filmblock im Salone Grande gezeigte Videos reflektierten Aspekte wie „Kollateralschäden“, Entfremdung und Realitätsverlust.